Liebe Freund*innen und Unterstützer*innen, liebe Leser*innen dieser Losar-Nachricht. Wir widmen dieses Losar den sagenumwobenen Ursprüngen der tibetischen Zeitrechnung. Nach feierlichen Worten ist vielen Menschen in unserer Gemeinschaft nach den Ereignissen des letzten Jahres nicht zumute, aber etwas über das spirituelle und kulturelle Erbe Tibets zu lernen, schien uns nicht verkehrt.
Der 24. Februar 2020 westlicher Zeitrechnung markiert im tibetischen Kalender den Beginn eines neuen Jahres. Für Tibeter*innen ist es das Jahr 2147, ein so genanntes Eisen-Maus-Jahr.
Wie kommen diese Zählung und diese Benennung eigentlich zustande?
Werfen wir zunächst einen Blick auf unsere eigene Zeitrechnung:
In Deutschland und in vielen anderen Ländern gilt bis heute der gregorianische Kalender, der auf Papst Gregor XIII. zurückgeht. Darüber hinaus sind Datumsangaben in Deutschland durch die DIN-Norm 8601 geregelt. Alles muss schließlich seine Ordnung haben!
Im tibetischen Kalender beziehen sich die Jahreszahlen auf den legendären ersten König Tibets, Nyatri Tsenpo, dessen Regentschaft im Jahr 127 v.Chr. (also vor 2147 Jahren) begann. Der Sage nach war Nyatri Tsenpo eine beeindruckende Erscheinung: Er hatte Schwimmhäute an den Händen und seine Augenlider schlossen sich von unten nach oben. Nach einer missglückten Feststellung seiner Personalien per Gebärdensprache waren die Tibeter*innen zu dem Schluss gekommen, der indische Prinz sei direkt aus dem Himmel auf die Erde hinabgestiegen. Sie ernannten ihn daraufhin zum König, was sich als echter Glücksgriff herausstellte: Nyatri Tsenpo erwies sich, zumindest einigen Quellen zufolge, als Emanation des Bodhisattvas Sarvanivaranavishkambhin.
Was aber hat es mit der Bezeichnung: „Eisen-Maus“-Jahr auf sich?
Die Maus ist eines von 12 Tierkreiszeichen im tibetischen Kalender, der sich in dieser Hinsicht nicht vom chinesischen unterscheidet. Aus der Kombination der Tierkreiszeichen mit einem der fünf Elemente Feuer, Erde, Eisen, Wasser und Holz ergibt sich ein 60-Jahre-Zyklus. Ein Element taucht dabei stets in zwei aufeinanderfolgenden Jahresbezeichnungen auf – das erste männlich und das zweite weiblich.
Der tibetische Kalender beginnt im Jahr 1027 n.Chr. zu zählen, dem Jahr, in dem das Kalachakra-Tantra mit Pandita Somanatha und Dro‘ Lotsawa Shérap Drak nach Tibet übertragen wurde. Damit befinden wir uns mittlerweile im 34. Jahr des 17. Zyklus. Und weil es das erste von zwei Eisen-Jahren ist, ist die Eisen-Maus eine männliche. Nächstes Jahr wird ein weibliches Eisen-Ochse-Jahr.
Was bedeutet das neue Jahr für uns als spirituelle Gemeinschaft?
Nach zwei schwierigen und herausfordernden Jahren für Rigpa sehen wir dem Eisen-Maus-Jahr als einem Jahr des Aufbruchs und des Neubeginns entgegen. Wir freuen uns darauf, genau das zu machen, was wir uns als Gemeinschaft zum Ziel gesetzt haben: Die buddhistischen Lehren zu studieren und so Weisheit und Mitgefühl in uns lebendig werden zu lassen – das mit neuer Organisationskultur und einem klaren Studienpfad und getragen von dem Wunsch, einen zeitgemäßen und relevanten Zugang zu den tibetisch-buddhistischen Weisheitslehren anzubieten.
Mögen die Qualitäten des Eisen-Maus-Jahres alle positiven Bestrebungen für die Wesen dieser Welt zur Reife bringen!