Der von Rigpa in Auftrag gegebene Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission zu den Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche und Rigpa ist veröffentlicht
Inhalt dieses Beitrages:
- Wie kam es zu dem Bericht?
- Auszüge aus dem Bericht von Lewis Silkin (beautragtes Anwaltsbüro): Zusammenfassung und Empfehlungen
- Rigpas Stellungnahme
- Mit uns in Kontakt treten
Wie kam es zu dem Bericht?
Ende 2017 haben wir das Anwaltsbüro Lewis Silkin beauftragt, die Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche und Rigpa zu untersuchen (mehr Informationen hier). Heute ist der Bericht, der uns sehr betroffen macht, veröffentlicht worden.
Rigpa hat den Bericht in erster Linie deshalb in Auftrag gegeben, um den acht Briefeschreiber*innen die Möglichkeit zu geben, sich mitzuteilen und offen, unparteiisch und einfühlsam angehört werden zu können. Wir hoffen, dass dieser Bericht den Beginn einer neuen Phase der Heilung und Versöhnung aller Beteiligten einleiten wird.
Der Bericht umfasst auch Empfehlungen für Rigpa als öffentliche gemeinnützige Organisation. Aus diesem Grund haben die Rigpa-Vorstände ihn vorab erhalten, darüber reflektiert und eine Stellungnahme dazu verfasst. Die findest du untenstehend in diesem Beitrag.
Heute möchten wir hier die Zusammenfassung sowie die im Bericht ausgesprochenen Empfehlungen auf Deutsch (übersetzt aus dem Englischen von Rigpa-Übersetzer*innen) teilen.
Auszüge aus dem Bericht: Zusammenfassung und Empfehlungen von Lewis Silkin
Den Link zu dem Bericht findest du weiter unten.
Zusammenfassung der Beauftragten
Während ich Beweise dafür gesehen habe, dass viele Menschen das Gefühl haben, von Sogyal Lakar als ihrem Lehrer sehr profitiert zu haben, ist die Erfahrung von Einzelnen eine sehr andere. Es gibt unterschiedliche Grade der Nähe zu Sogyal Lakar, wobei die engsten Beziehungen häufig als „innerer Kreis“ bezeichnet werden.
Die Erfahrungen einiger Mitglieder des inneren Kreises unterscheiden sich sehr von den Erfahrungen vieler, die [Sogyal Lakar] weniger nahestehen.
Nicht alle Vorwürfe gegen Sogyal Lakar werden bestätigt, wie im folgenden Hauptteil des Berichts erklärt wird, doch auf Grundlage der mir vorliegenden Aussagen gehe ich davon aus, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit:
a. einige Schüler*innen Sogyal Lakars (die Teil des „inneren Kreises“ waren, wie später in diesem Bericht beschrieben wird) ernsthaftem körperlichem, sexuellem und emotionalem Missbrauch durch ihn ausgesetzt waren, und
b. es Einzelpersonen in Leitungspositionen innerhalb von Rigpa gab, die sich zumindest einiger dieser Vorkommnisse bewusst waren und sie nicht thematisiert haben, wodurch andere gefährdet wurden.
Aus meinen Ermittlungen ergeben sich eine Reihe ernsthafter Bedenken, die meines Erachtens behoben werden müssen. Empfehlungen und Handlungsvorschläge finden sich am Ende dieses Berichts.
Empfehlungen
Ich wurde gebeten, aufgrund der Ergebnisse meiner Untersuchungen Empfehlungen für Veränderungen innerhalb von Rigpa auszusprechen. Meine praktischen Empfehlungen sind nachstehend aufgeführt. Wenn sie akzeptiert werden, steht viel Arbeit an, um diese Empfehlungen in der gesamten Rigpa-Organisation, die in verschiedenen Ländern tätig ist, umzusetzen. Es wird in mehrfacher Hinsicht notwendig sein, die jeweiligen lokalen Gesetze, Vorschriften und Richtlinien sowie die Rechtsform und Management-Struktur zu berücksichtigen, auf deren Basis Rigpa in jedem dieser Länder tätig ist.
Es gibt zudem eine Reihe von Punkten, die möglicherweise weiter untersucht werden müssen, bevor die Rigpa-Leitung in der Lage ist, endgültige Entscheidungen in dieser Gesamtangelegenheit zu treffen. Auf die Möglichkeit solcher weiteren Untersuchungen wurde oben bereits an verschiedenen Stellen hingewiesen.
Ich bin der Meinung, dass die Rigpa-Leitung, bevor sie mit der Umsetzung der folgenden Empfehlungen beginnt, zuerst die Auswirkungen dieser Ergebnisse auf ihre Mission und Arbeit als Organisation insgesamt erwägen sollte. In Großbritannien beispielsweise müssten die Vorstandsvertreter*innen prüfen, ob es im Hinblick auf die Ergebnisse des Berichts, die für die Umsetzung der Empfehlungen erforderlichen Ressourcen und die in der Vergangenheit enge Verknüpfung der Arbeit und des Profils von Rigpa mit der Person Sogyal Lakar für die Organisation möglich sein wird, diese Ereignisse zu verarbeiten und in Zukunft nachhaltig und erfolgreich zu funktionieren. Hier sollte eine angemessene Beratung erfolgen, und ich möchte darauf hinweisen, dass ich bei der Klärung dieser Fragen für die Repräsentant*innen nicht bestrebt bin, ihre Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu lenken, da eine derartige Beratung oder Anleitung außerhalb meines Untersuchungs- und Aufgabenbereichs liegt.
In der Annahme, dass die Rigpa-Leitung zu dem Schluss kommt, dass der angemessene einzuschlagende Kurs darin besteht, Strukturen und Verfahren einzuführen, die sicherstellen, dass Rigpas Arbeit als Organisation auch in Zukunft fortgesetzt werden kann, ohne das Risiko, dass jemand zu Schaden kommt, empfehle ich Folgendes:
1. Sogyal Lakar sollte an keiner zukünftigen Veranstaltung von Rigpa teilnehmen oder anderweitig Kontakt mit Rigpas Schüler*innen haben;
2. Rigpa sollte Schritte unternehmen, um sich so weit wie möglich von Sogyal Lakar zu distanzieren (unter Berücksichtigung aller rechtlichen Vereinbarungen, die die Organisation vorerst mit ihm verbinden könnten);
3. Die Rigpa-Leitung in jedem Land (die Vorstände oder gleichwertige Positionen) und das Vision Board sollten gegebenenfalls neu besetzt werden, um sicherzustellen,
a. dass deren Mitglieder Rigpa nicht mit den in diesem Bericht genannten schädigenden Ereignissen in Verbindung stehen und somit das Programm der erforderlichen Änderungen glaubhaft voranbringen können;
b. dass sich deren Mitglieder alle öffentlich dem Prinzip verpflichten, dass innerhalb von Rigpa Missbrauch von niemandem und gegen niemanden (einschließlich der Lehrer*innen) toleriert wird, und
c. dass, wo immer möglich, einige Mitglieder der Leitung nicht mit der Schülerschaft verbunden sind; in Großbritannien zum Beispiel würden Laientreuhänder als solche anerkannt werden;
4. In jedem größeren Rigpa-Zentrum sollte ein professionelles Management eingesetzt werden und wo immer möglich sollten dem Managementteam einige Mitglieder angehören, die nicht Teil der Schülerschaft sind. Es sollte darauf geachtet werden, dass alle Mitglieder des Managements in der Lage sind, ihre Verantwortung wahrzunehmen und daran nicht gehindert werden, weil sie sich zum Beispiel verpflichtet fühlen, dem Guru „unerschütterlichen Respekt“ zu erweisen.
5. Es sollte eine angemessene Risikoeinschätzung, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Organisation einbezieht, durchgeführt und regelmäßig aktualisiert werden. Die Risikoeinschätzung sollte sich speziell mit Lehrpraktiken befassen, die mit dem Dzogchen-Mandala verbunden sind oder waren – es sollten sorgfältige, wohlüberlegte Entscheidungen über die zukünftige Verwendung solcher Praktiken in der Arbeit der Organisation getroffen werden. Um jeglichem Zweifel vorzubeugen, sollte eine Praxis, die dem Missbrauch eines*einer Schüler*in gleichkommt, niemals toleriert werden.
6. Es sollten umfassende und schriftliche Schutzbestimmungen eingeführt werden, um sicherzustellen:
a. dass sexuelle Beziehungen zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen entweder komplett untersagt sind oder spezifischen Schutzmaßnahmen unterliegen, die sicherstellen, dass kein Machtmissbrauch geschehen kann;
b. dass jegliche „Lama Care“, die für notwendig erachtet wird, auf eine Weise durchgeführt wird, die gewährleistet, dass die Gesundheit und Sicherheit jener, die diesen Dienst leisten, angemessen geschützt sind;
c. dass es klare Mechanismen für die vertrauliche Meldung von Bedenken gibt und dass sie für jene, die Bedenken haben, leicht zugänglich sind;
d. dass Berichte von Vorfällen und Vorwürfen auf sichere und angemessene Art und Weise festgehalten und aufbewahrt werden;
e. dass Vorfälle und Vorwürfe umgehend in Übereinstimmung mit den Bestimmungen untersucht werden und als Folge geeignete Maßnahmen ergriffen werden;
f. dass in Erwägung gezogen wird, schwerwiegende Vorfälle der zuständigen Strafverfolgungsbehörde und/oder Aufsichtsbehörde zu melden, und
g. dass Management und Leitung jeder Rigpa-Körperschaft sich ihrer Verantwortung bewusst und entsprechend geschult sind.
7. Zusätzlich zu den zur Verfügung gestellten internen Meldemechanismen sollte eine Missbrauchs-Helpline außerhalb von Rigpa eingerichtet werden.
8. Soweit dies noch nicht geschehen ist, sollte Rigpa seine Fundraising-Aktivitäten überprüfen, um sicherzustellen, dass diese den lokalen Gesetzen und Vorschriften entsprechen. Diese Überprüfung sollte insbesondere Kontexte einbeziehen, in denen Rigpa-Veranstaltungen wie Retreats von Dritten – z.B. externen Referent*innen – als Gelegenheit genutzt werden können, Gelder für andere Zwecke zu sammeln und/oder zu Sonderzahlungen in ihrem eigenen Namen aufzurufen. Es sollte absolute Klarheit über die ordnungsgemäße Verwendung all dieser Mittel herrschen.
9. Es sollte klare Vorgaben für die Einladung von Referent*innen und Lehrer*innen festgelegt werden, die sicherstellen, dass sie sich der relevanten Richtlinien, einschließlich der Schutz- und Spendenbestimmungen, bewusst sind, bevor sie mit Schüler*innen in Kontakt treten.
10. Soweit es mit den allgemeinen finanziellen Verpflichtungen von Rigpa vereinbar ist, sollte ein Fonds eingerichtet werden, um den von Missbrauch betroffenen Personen professionelle Beratung anbieten zu können.
11. Mit den Briefschreiber*innen, Schüler*innen und der weiteren Rigpa-Gemeinschaft sollte im Hinblick auf die oben genannten Schritte eine angemessene Kommunikation erfolgen. Zusätzlich zu einer ersten Mitteilung, in der Rigpas Verpflichtung, ein sicheres Umfeld für alle Schüler*innen zu schaffen, und die dafür erforderlichen Schritte dargelegt werden, sollten regelmäßig aktuelle Informationen versandt werden, bis der Änderungsprozess abgeschlossen ist.
12. Die Rigpa-Leitung sollte (gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Berater*innen) prüfen, inwieweit sie verpflichtet ist, die in diesem Bericht dargelegten Angelegenheiten den Strafverfolgungsbehörden oder den zuständigen Aufsichtsbehörden in der jeweiligen Gerichtsbarkeit zu melden.
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Leser*innen des Berichts sollten sich gewahr sein, das der Bericht ernsthafte Anschuldigungen adressiert, die körperliche und sexuelle Gewalt einschließen. Der Bericht enthält potentiell verstörende Inhalte.
Der Bericht ist ursprünglich in englischer Sprache verfasst und hier veröffentlicht. Weite Teile der Einleitung und die Empfehlungen finden sich hier auf Deutsch. Hier findest du die beeidigte Übersetzung des vollständigen Berichts aus dem Englischen ins Deutsche.
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Rigpas Stellungnahme
Das Rigpa Vision Board, die Vorstände der Rigpa-Organisationen sowie die Vorstände von Lerab Ling und Dzogchen Beara erkennen die Ernsthaftigkeit des unabhängigen Berichts an, und danken der Ermittlerin und den Zeug*innen.
Wir alle bedauern die Verletzungen, die frühere und gegenwärtige Mitglieder der Rigpa-Gemeinschaft erlitten haben, zutiefst und entschuldigen uns dafür. Wir denken über unsere Rolle als Organisation nach und darüber, wie wir möglicherweise zu dieser Situation beigetragen haben. Wir werden alles tun, um jede*n Betroffene*n zu erreichen und zu unterstützen. Wir übernehmen volle Verantwortung dafür, dass Rigpa eine sichere Umgebung für alle bietet. Dazu verpflichten wir uns von ganzem Herzen.
Die im Bericht dargestellten Ergebnisse werden Auswirkungen auf viele Menschen haben. Wir alle werden Zeit brauchen, um über den Inhalt des Berichts nachzudenken.
Rigpa verpflichtet sich, den Empfehlungen des Berichts entsprechend zu handeln. Wir werden in Absprache mit unseren Mitgliedern weitere Schritte einleiten.
Angesichts der Vorwürfe hat Sogyal Rinpoche letztes Jahr sein Amt als spiritueller Direktor von Rigpa endgültig niedergelegt und hat in der Rigpa Organisation keinerlei Verantwortung mehr.
Rigpa hat in den letzten zwölf Monaten bereits folgende wichtige Schritte unternommen:
- Ein neues Vision Board wurde ernannt, angeleitet von spirituellen Berater*innen. Die Rigpa-Vorstände haben eine neue Entscheidungs- und Führungsstruktur vereinbart.
- Unsere Gemeinschaft hat sich in einem internationalen Prozess einen Verhaltenskodex gegeben, der im Juni 2018 veröffentlicht wurde. Zudem haben wir gerade das dazugehörende Beschwerdeverfahren verabschiedet, das einen unabhängigen Beschwerdebeirat aus westlichen buddhistischen Lehrer*innen einschließt, der Beschwerden von Rigpa-Mitgliedern und der Öffentlichkeit entgegennehmen wird.
- Wir haben diese unabhängige Untersuchung beauftragt, damit sich Beschwerdeführer*innen mitteilen und offen, unparteiisch und einfühlsam angehört werden konnten.
Wir verpflichten uns, den Prozess der Heilung, Versöhnung und Veränderung fortzusetzen.
Um die Wichtigkeit dieses Prozesses der Heilung und Veränderung anzuerkennen, treten langjährige Mitglieder des Managements von ihren Leitungsfunktionen zurück.
Rigpas Ziel war es in der Vergangenheit und ist es auch in der Zukunft, einen vollständigen spirituellen Pfad anzubieten, Lehrer*innen – insbesondere aus der „alten“ Nyingma-Tradition des tibetischen Buddhismus – einzuladen und der modernen Welt die buddhistischen Lehren der Meditation, des Mitgefühls und der Weisheit zugänglich zu machen.
Mit uns in Kontakt treten
Wir sind uns bewusst, dass der Bericht viel aufwühlen und in Bewegung setzen wird. Unsere Mitglieder sind heute über den Bericht informiert worden. In den nächsten Tagen werden wir all unsere buddhistischen Freund*innen und Partner*innen sowie die Teilnehmer*innen unsere Veranstaltungen und Interessierte informieren. Wir sind entschlossen, die notwendigen Veränderungen anzupacken und Rigpa zu erneuern.
Für Fragen, Vorschläge und Anmerkungen jeder Art schreibe uns bitte an kommunikation@rigpa.de. Wir können dann auch gerne einen Telefontermin vereinbaren.
Wir werden in den nächsten Tagen auch unser Beschwerdeverfahren komplettieren und kommunizieren. Wir werden eine E-Mail Adresse dafür einrichten und diese veröffentlichen.