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Buddhismus und Kunst: Ein Interview mit der Malerin Dorothea Breick
Wenige Tage vor Beginn ihrer Ausstellung „riding on the sun’s rays“ im Berliner Dharma-Mati-Zentrum hatte ich Gelegenheit, mich mit Künstlerin und Sangha-Freundin Dorothea Breick über ein Thema zu unterhalten, dass mir als Filmschaffender ganz besonders am Herzen liegt.
Alexander Lauber: Der Dalai Lama hat kürzlich die Veröffentlichung seines ersten Albums angekündigt* und in einem Interview dazu gesagt: “Musik vermag Menschen in einer Weise zu helfen, wie ich selbst es nicht kann.” Was glaubst Du, wie er das gemeint hat? Was möchtest Du mit Deiner Kunst erreichen? Möchtest Du auch anderen Menschen helfen?
„Dann kann reines Sehen stattfinden, ohne Beurteilung, und der Umgang mit der Welt wird zu einer reinen Erfahrung.“
Dorothea Breick: Als Malerin betrachte ich Realität und versuche zu verstehen, wie meine Wahrnehmung funktioniert. Und dann mache ich diesen Prozess offen für andere. Einfach gewahr sein, wie und was ich sehe und dann dieser Erfahrung Ausdruck verleihen und sie mit anderen teilen. Wir denken ja, dass das, was wir sehen, die Realität ist. Und das stimmt ja nicht. Für mich ist Malerei ein transkonzeptueller Zugang zur Welt: Wahrnehmung und Ausdruck jenseits von Begrifflichkeit und Benennung. Dann kann reines Sehen stattfinden, ohne Beurteilung, und der Umgang mit der Welt wird zu einer reinen Erfahrung. Diese Erfahrung ist dann möglicherweise bereichernd für andere, oder erhellend, oder befreiend, da sie nicht nur meine, sondern auch die gewohnheitsmäßigen Fixierungen von anderen löst und ungeahnte Möglichkeiten eröffnet.
AL: Würdest Du dich selbst als eine „buddhistische Künstlerin“ bezeichnen? Macht ein solcher Ausdruck für Dich überhaupt Sinn?
„Entscheidend ist, ob der Mensch diesem Potential Raum und Zeit gibt.“
DB: Nein, das macht keinen Sinn für mich. Jeder Mensch ist ein Künstler, um Joseph Beuys zu zitieren. Entscheidend ist, ob der Mensch diesem Potential Raum und Zeit gibt und es schult. Da sehe ich viele Ähnlichkeiten zwischen dem buddhistischen Pfad und der künstlerischen Entwicklung eines Menschen. Beides ist ein Reifeprozess, die Entwicklung des Erkenntnisvermögens auf emotionaler und rationaler Ebene.
AL: Religiöse Kunst erkennt man meist daran, dass sie Götter und Heilige abbildet. Wie wählst Du deine Motive aus?
„Kunst ist immer religiös – oder nie.“
DB: Kunst ist immer religiös oder nie, je nachdem wie man es nimmt.
Neulich saß ich im Wartezimmer einer Landärztin in der Nähe von Lerab Ling. Die ganz Situation war plötzlich heilig: Zwei Patienten mit Mundschutz; ein leerer Stuhl; eine kahle Treppe; eine alte Frau mit dünnem, weißen Haar; seltsame Muster auf dem gekachelten Boden; und ein gemusterte, fade, gelbliche Tapete.
Alles spricht. Das Bild ist da. Ich sehe es. Es will sich ausdrücken. Ich hatte aber nichts dabei, und mit einem Foto verderbe ich die Erfahrung. So fängt es an, spontan. Und dann gehe ich wieder hin und mache Skizzen. Oft ist es dann weg und erst Jahre später kriege ich es hin.
Zum Beispiel blühende Zweige. Jedes Frühjahr. So kurz. Ich kann mich nicht satt sehen. Und dann sehe ich van Gogh’s Blütenzweige. Und er ist von den japanischen Holzschnitt-Meistern inspiriert. Ja, und so setzt es sich fort.
2017 kam dann für mich alles zusammen und ich konnte unter einem Baum sitzen und malen. Und letztes Jahr dann plötzlich dieser blühende Quince-Strauch vor meinem Chalet. Und dieses Jahr diese duftenden Weißdornhecken, die mir im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlagen haben.
AL: Es scheint, als hätten die ersten tibetisch-buddhistischen Lehrer im Westen, allen voran Chögyam Trungpa, eine Menge Kreative angezogen. Allen Ginsberg, Meredith Monk, Laurie Anderson oder Lou Reed sind nur ein paar Namen, die mir hier spontan in den Sinn kommen. Was glaubst Du hat den Buddhismus für diese Künstler*innen interessant gemacht?
„Alles ist Rohmaterial zur Verwandlung, nichts ist statisch.“
DB: Chögyam Trungpa Rinpoche ist nach Sogyal Rinpoche mein wichtigster Lehrer, obwohl ich ihm nie begegnet bin. Ich habe alles von ihm gelesen und schaue manchmal seine Belehrungen auf YouTube. Die Hippie-Künstler zu seiner Zeit waren offen und neugierig und hatten auch einfach großes Glück, so jemandem wie ihm zu begegnen. Wahrscheinlich wurden sie angezogen von dieser unbändigen schöpferischen Kraft und Ichlosigkeit. Meister wie diese sind einfach durch und durch gut und echt und ununterbrochen schöpferisch auf jede mögliche Art und Weise. Ja, ich glaube, es ist die Freude und Ungezwungenheit, die von Ihnen ausgeht, die so ansteckend ist. Alles ist für sie Rohmaterial zur Verwandlung, nichts ist statisch. Sie ermutigen einfach, das gleiche, uns innewohnende schöpferische Potential zu entwickeln, und gleichzeitig schneiden sie schonungslos alle Verblendungen und Begrenzungen durch, einfach durch ihr Sosein.
AL: Liebe Dorothea, vielen Dank für das Gespräch!
DB: Ich danke Dir, Alexander.
Die Ausstellung „riding on the sun’s rays“ findet vom 25.06.2020 bis zum 31.10.2020 im Dharma-Mati-Zentrum statt. Mehr Infos unter:
https://www.rigpa.de/zentren/dharma-mati-berlin/kalender-berlin/eventdetails/?cal-id=15618
Und hier geht es zur Webseite von Dorothea Breick: https://www.dorotheabreick.com/upcoming-exhibition-berlin/
Das Interview wurde geführt von Alexander Lauber, Lektor und Dramaturg für Film & TV. Alexander beschäftigt sich seit 2005 mit Meditation und Buddhismus.
*) “Inner World” soll am 06. Juli 2020 erscheinen, dem 85. Geburtstag Seiner Heiligkeit.